Der untere Niederrhein zählt in der Erforschung der späten Eisenzeit traditionell zu den weniger gut untersuchten Landschaften am Rande der keltischen Welt. Dabei steht diese Region seit der Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus durchaus im Fokus der Geschichte. Die dort lebenden Stammesgesellschaften sehen sich in dieser Zeit plötzlich in direkter und indirekter Konfrontation mit dem römischen Weltreich.
Der im Jahr 2010 ausgegrabene Herrenhof von Rees-Bergswick wirft nun ein ganz neues Licht auf die Strukturen dieser Stammesgesellschaften. Chronologisch lässt sich der Platz in die späte Eisenzeit datieren (2.–1. Jh. v. Chr.). Die in der Rheinaue zwischen Rees und Haldern gelegene Siedlung zeichnet sich durch eine Befestigung mit Wall und Graben und ein zweiphasiges Wohnhaus aus, das in der jüngeren Phase repräsentativ gestaltet war. Erstmals kann hier, die bisher im archäologischen Siedlungsbild völlig unsichtbare, gesellschaftliche Hierarchisierung erfasst werden. Die Anlage wird als herausgehobener Sitz eines local leaders interpretiert, vergleichbar mit den Viereckschanzen und établissements ruraux der keltischen Welt. Ungewöhnliche Funde wie eine römische Amphore – der älteste römische Fund rechts des Rheins – und eine Schmiedezange stützen diese Interpretation. Über bereits publizierte und bisher unpublizierte Fundstellen am südlichen Niederrhein, in den Niederlanden und Belgien können für diesen Raum zahlreiche vergleichbare befestigte Einzelhöfe herausgearbeitet werden und als Sitze von lokalen Eliten interpretiert werden.
Das Buch richtet sich an Studierende und Forschende, die sich erstmals oder vertieft mit der Eisenzeit am Niederrhein und den gesellschaftlichen Strukturen vor der römischen Herrschaft befassen möchten.
English abstract:
The Lower Rhine region has traditionally been little studied in research on the Late Iron Age, despite its significance during the mid-1st century BCE, when local tribal societies came into direct and indirect contact with the Roman world. The Herrenhof of Rees-Bergswick, excavated in 2010, sheds new light on these social structures. The settlement, located in the Rhine floodplain between Rees and Haldern, features a fortified enclosure with a wall and ditch and a two-phase residential building, the later phase of which was designed as a representative structure. For the first time, previously invisible social hierarchies can be identified, suggesting the site served as a residence for local elites, comparable to the Viereckschanzen and établissements ruraux of the Celtic world. Finds such as a Roman amphora – the earliest Roman find east of the Rhine – and a smith’s tongs support this interpretation. Comparisons with other published and unpublished sites in the southern Lower Rhine, the Netherlands, and Belgium reveal a broader pattern of fortified farmsteads serving as elite residences.
The book is intended for students and researchers who are exploring, for the first time or in greater depth, the Iron Age in the Lower Rhine region and the social structures that existed before Roman rule.